Deutsche Depotbanken sehen AIFM-Richtlinie als Chance
Ähnliches Regulierungsniveau wie für offene Investmentfonds
2013 tritt die AIFM-Richtlinie in Kraft. Sie hebt geschlossene Fonds und andere Anlageprodukte auf ein ähnliches Regulierungsniveau wie den offenen Investmentfonds. Viele Banken, die die Depotbankfunktion bereits für Fonds wahrnehmen, können dadurch jetzt zusätzliche Erträge erzielen.
Die AIFM-Richtlinie legt zukünftig für alle Anlageformen mit Fonds-Charakter strenge Bedingungen fest. So müssen etwa die jeweiligen Fondsmanager gewisse Mindestanforderungen an Liquiditäts- und Risikomanagement erfüllen. Außerdem muss eine Verwahrstelle beauftragt werden, die die Arbeit des Fondsmanagers überwacht und sicherstellt, dass erworbene Vermögensgegenstände tatsächlich Eigentum des Fonds werden. Damit sollen „Luftbuchungen“ wie im Falle der Madoff-Fonds ausgeschlossen werden.
Die Aufgaben der Verwahrstelle ähneln in vielerlei Hinsicht denen der Depotbank, wie sie das Investmentgesetz für offene Investmentfonds vorsieht. Viele Depotbanken sehen deshalb für sich eine Chance, ihr Geschäftsfeld auf die neu regulierten Produkte zu erweitern. Johannes Nölke, Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft optegra:hhkl, begründete diese Vorhaben in seinem Vortrag beim Investment Forum Frankfurt am 21.06.2012 dadurch, dass es in der derzeit unregulierten Anlageform „geschlossene Fonds“ bisher nichts Vergleichbares wie die Verwahrstelle gab. Die AIFM-Richtlinie war also unter den rund 100 Teilnehmern der Veranstaltung aus guten Gründen Hauptthema; zwei von vier Vorträgen befassten sich damit und auch in der Pause gab es kaum ein anderes Thema. „Für geschlossene Fonds bedeutet die AIFM drei Stufen auf einmal“, beschrieb Nölke die Veränderung. „Offene Investmentfonds stehen schon seit Jahren auf der dritten Stufe. Ihre Strukturen und Prozesse sind reguliert, die Aufsicht ist überall beteiligt. Geschlossene Fonds hingegen mussten in der Vergangenheit kaum mehr tun, als ihre Verkaufsprospekte auf formale Richtigkeit prüfen zu lassen. Prozesse waren auf Kosteneffizienz getrimmt, nicht auf Dokumentation und Überwachung.“
Das Bankhaus Sal. Oppenheim ist eines der ersten, das diese Chance erkannte und sich auf die geschlossenen Fonds zubewegte. „Mit unserer Kompetenz im Bereich der offenen Immobilienfonds war der Schritt nicht so groß, wie er bei reinen Wertpapierbanken wäre. Dennoch hat das Projekt Verwahrstelle die Bank über die letzten 13 Monate beschäftigt“, beschreibt Ludger Wibbeke, Leiter der Einheit Depotbank bei Sal. Oppenheim, in seinem Referat beim Investment Forum. „Inzwischen sind wir gut aufgestellt und mit vielen Emissionshäusern im Gespräch.“ Die Zeit bis zum Inkrafttreten der deutschen Umsetzung der AIFM im Juli 2013 werden die Emissionshäuser nutzen, um ihre Prozesse anzupassen und Partner zu finden, die die Verwahrstellenfunktion wahrnehmen.
Da sich vermutlich jedes Emissionshaus auf eine Verwahrstelle beschränken wird, muss diese neben einer soliden Kompetenz in einem einzelnen Investitionsgut – zum Beispiel Immobilien, Flugzeuge oder Windanlagen – auch alle anderen Produkte beherrschen, um für die großen Emissionshäuser interessant zu sein.
Sal. Oppenheim muss mit etwa 15 namhaften Wettbewerbern rechnen, die wie sie eine Verwahrstellenfunktion anbieten wollen, denn tatsächlich planen rund die Hälfte der großen und mittleren Depotbanken denselben Schritt – so lautet eines der Ergebnisse der Studie „Depotbanken in Deutschland 2012“, die die Unternehmensberatung Konsort derzeit durchführt. „Der Markt rechnet hingegen nur mit fünf, maximal zehn Depotbanken, die den Schritt Richtung Verwahrstelle gehen werden“, sagt Alexander Reschke, Autor der Studie.
Da pro Jahr etwa 5 Milliarden Euro in Deutschland in geschlossene Fonds fließen, bestehende Fonds jedoch voraussichtlich von der Regulierung ausgenommen werden, werden zunächst nur wenige Anbieter profitabel arbeiten können. Es ist also zu erwarten, dass sich der eine oder andere schnell wieder aus diesem Markt zurückzieht.
Dennoch sehen drei Viertel der Depotbanken die AIFM als Chance für den Markt; nur weniger als die Hälfte betrachten die neuen Haftungsregeln als Risiko. Die AIFM definiert die Haftung der Verwahrstelle für Verluste von Anlageobjekten, während die Depotbank/Verwahrstelle bisher nur bei grober Fahrlässigkeit haftbar gemacht werden konnte und der Anleger das Risiko trug. Zukünftig muss die Depotbank nachweisen, dass der Verlust nicht vorhersehbar war und nicht durch Maßnahmen der Depotbank vermieden werden konnte. Dem Text der Richtlinie nach werden nur wenige Ereignisse – wie etwa politische Umstürze – eine Haftung ausschließen. Auch die Möglichkeit, Haftung vertraglich auszuschließen, wird stark eingeschränkt.
Auch der Spezialfonds fällt unter die AIFM, weshalb die Haftungsregelung die bestehenden Depotbanken und fast 1 Billion Euro Anlagevolumen in deutschen Fonds betrifft. Trotzdem denkt nur etwa die Hälfte der Depotbanken, dass die Haftungsrisiken das Depotbankgeschäft belasten werden.